Mittwoch, 30. Januar 2013

Gott ist jenseits von Form und Formlosigkeit


   Gott ist nicht nur formlos und kann Formen annehmen, sondern er ist auch jenseits von Form und Formlosigkeit. Nur er weiß, was er alles ist. Für diejenigen, die ihn lieben, manifestiert er sich auf verschiedene Arten und in verschiedenen Formen. Doch er ist an keine Grenze der Form noch an ihr Gegenteil gebunden.
   Niemand kann mit letzter Gewissheit sagen, dass Gott nur „so“ ist und nicht anders. Er ist formlos und andererseits hat er Formen. Für den Gottesverehrer (Bhakta) nimmt er Formen an — für denjenigen, der dem Weg der Erkenntnis zur eigenen wahren Natur folgt (Jnani), ist er ohne Form.
   Brahman, absolutes Sein-Bewusstsein-Seligkeit, ist wie ein uferloser Ozean. Im Ozean entstehen bei starker Kälte hier und da Eisschollen. Ähnlich nimmt das Unendliche endliche Formen an, sozusagen unter dem kühlenden Einfuss der Hingabe des Gottesverehrers, und erscheint vor ihm als göttliche Person. Doch wie beim Aufgehen der Sonne die Eisschollen im Ozean schmelzen, so geht mit dem Erwachen der Erkenntnis der eigenen wahren Natur, die eins ist mit dem unbeschreiblichen Göttlichen Urgrund, (Jnana) die verkörperte Gottesform in das unendliche und formlose Brahman auf. Dann hat der Verehrer nicht mehr das Gefühl, dass Gott eine Person ist, noch hat er dann Visionen von Gottes Formen.
   Doch vergiss nicht: Form und Formlosigkeit gehören ein und derselben Wirklichkeit an. 


Ramakrishna


Text und Erklärungen zu den hinduistischen Begriffen: 
 http://www.ramakrishna.de/ramakrishna/ramakrishnaworte.php


Wenn ich betrachte, was Gott ist...


Wenn ich betrachte, was Gott ist, so sage ich: Er ist das Eine gegen [verglichen mit] der Kreatur, als ein ewig Nichts; er hat weder Grund, Anfang noch Stätte; und besitzet nichts, als nur sich selber: er ist der Wille des Ungrundes, er ist in sich selber nur Eines: er bedarf keinen Raum noch Ort: er gebäret von Ewigkeit in Ewigkeit sich selber in sich: er ist keinem Dinge gleich oder ähnlich, und hat keinen sonderlichen Ort, da er wohne: die ewige Weisheit oder Verstand ist seine Wohne: er ist der Wille der Weisheit, die Weisheit ist seine Offenbarung.

 Jakob Böhme 

(Mysterium Magnum, 1,2)

Montag, 28. Januar 2013

Halt dein Herz von fremden Bildern rein!



Du musst des Herzens Kämmerlein
von fremden Bildern halten rein;
lass alles draußen stehen!
Gott sieht es gerne bloß und leer
und unbekümmert, so wird er
sich bald drin lassen sehen. 


Gerhard Tersteegen
Geistliches Blumengärtlein inniger Seelen, 1. Büchlein , 167

Samstag, 26. Januar 2013

Lass mich Dich nur sehen und finden!





Luft, die alles füllet, drin wir immer schweben, 
Aller Dinge Grund und Leben. 
Meer ohn’ Grund und Ende, Wunder aller Wunder, 
Ich senk mich in dich hinunter. 
Ich in dir, Du in mir, 
Lass mich ganz verschwinden, 
Dich nur sehn und finden!



Gerhard Tersteegen

Verse aus dem Lied „Gott ist gegenwärtig“ 


Foto: ghiaccio appena fuso  © Patano

Ich lebe in der Hoffnung ihn zu treffen




Das Lied, das ich kam zu singen,
bleibt ungesungen bis auf diesen Tag.

Ich brachte meine Tage hin, mein Instrument 
zu  stimmen und umzustimmen.
Der Takt kam nicht aus, die Worte
sind nicht recht gesetzt, nur eine Pein
des Wünschens ist im Herzen.

Die Blüte hat sich nicht geöffnet, nur
der Wind seufzt vorüber.

Ich habe sein Angesicht nicht gesehn,
nicht gelauscht seiner Stimme; nur seinen
leisen Fußtritt hab ich gehört auf der
Straße vor meinem Hause.

Der lange Tag verging damit, ihm den
Sitz am Boden zu breiten, die Lampe
aber ist noch nicht entzündet, ich kann
ihn nicht in mein Haus bitten.

Ich lebe in der Hoffnung ihn zu treffen,
doch dieses Treffen ist noch nicht.



Rabindranath Tagore

aus Gitanjali (Lied 13)

in der Nachdichtung von Marie Luise Gothein, 1914




Mittwoch, 23. Januar 2013

Tag für Tag machst du mich würdig







Meiner Begierden sind viele, 
mein Schrei heischt Mitleid, 
aber du hast mich noch immer gerettet 
durch hartes Verweigern,
mit dieser strengen Gnade 
hast du mein Leben 
durch und durch gewirkt.

Tag für Tag machst du mich würdig
der einfachen, großen Gaben, 

die du mir ungebeten gabst 
– des Himmels, des Lichts, 
dieses Leibes, Lebens und Geistes – 
und rettest mich aus der Gefahr 
des Übermaßes der Wünsche.

Es gibt Zeiten, wo träge ich zögre 
und andre, wo ich erwache und eile, 
mein Ziel zu suchen; 
doch grausam birgst du dich vor mir.

Tag für Tag machst du mich würdig 
deines vollen Empfangs, 
indem du dich immer versagst 
und rettest mich vor der Gefahr
der schwachen, unsicheren Wünsche.


Rabindranath  Tagore

aus Gitanjali (Lied 14)
in der Nachdichtung von Marie Luise Gothein, 1914



Foto: Let there be light © Səməd


Samstag, 19. Januar 2013

Lass mich deine Strahlen fassen und dich wirken lassen!






Du durchdringest alles;  
lass dein schönstes Lichte, Herr, berühren mein Gesichte! 

Wie die zarten Blumen willig sich entfalten 
Und der Sonne stille halten, 
Lass mich so still und froh 
Deine Strahlen fassen 
Und dich wirken lassen!



Gerhard Tersteegen

Verse aus dem Lied „Gott ist gegenwärtig“ 


Foto @ Xenia Illapo

Freitag, 18. Januar 2013

Transzendenz: "Oculus non vidit, nec auris audivit"






„Was das Auge nicht gesehen, noch das Ohr gehört hat“




Aus: "Amoris Divini Emblemata Studio Et Aere Othonis Vaenii Concinnata", Antwerpen, Officina Plantiniana (Balthasar Moretus), 1660

Foto: Wikipedia Commons

Der Herr ist in mir, der Herr ist in dir





Der Herr ist in mir, der Herr ist in dir, wie Leben in jedem Samen ist. 
Oh Diener! Tue Deinen falschen Stolz beiseite 
und suche Ihn in Deinem Inneren.
Millionen Sonnen erstrahlen in ihrem Lichterglanz. 
Ein Meer von Blau erstreckt sich über den Himmel.
Das Fieber des Lebens ist gestillt und alle Steine sind fortgewaschen, 
wenn ich inmitten dieser inneren Welt sitze.
Höre den ungeschlagenen Glocken und Trommeln zu! 
Nehme das Vergnügen wahr in Liebe.
Eine Liebe ist es, die die ganze Welt durchdringt, 
wenige sind es, die sie ganz wissen:
Blind sind jene, welche hoffen sie im Lichte der Vernunft zu sehen, 
jene Vernunft, die Trennung verursacht,
aber das Haus der Vernunft ist sehr weit weg!
Wie gesegnet ist Kabîr, dass er inmitten dieser großen Freude 
in seinem eigenen Inneren singt.
Es ist die Musik wo sich Seele und Seele trifft. 
Es ist die Musik, wo die Sorgen vergessen sind.
Es ist die Musik die alles, das herein kommt und alles, das wieder geht, transzendiert.


Kabir


Foto ©: European South Observatory  

Montag, 14. Januar 2013

Im Gottes Auftrag



Eines Tages, nachdem wir Herr der Winde, der Wellen, der Gezeiten und der Schwerkraft geworden sind, werden wir uns in Gottes Auftrag 
die Kräfte der Liebe nutzbar machen. Dann wird die Menschheit, zum zweiten Mal in der Weltgeschichte, das Feuer entdeckt haben.


Teilhard de Chardin




Sonntag, 13. Januar 2013

Geliebter, warum lässt du mich vor dem Tore warten?




Wolken häufen auf Wolken sich
und es dunkelt.

Geliebter, warum läßt du mich draußen
vor dem Tore warten ganz allein?

In der geschäftigen Zeit des Mittagwerkes
steh ich zur Menge, aber an diesem dunklen,
einsamen Tage hoff ich
auf dich allein.

Wenn du mir dein Antlitz nicht zeigst,
wenn du mich beiseite läßt,
so weiß ich nicht,
wie ich die langen regnerischen Stunden
verbringen soll.

Ich starre zum fernen Schimmer
des Himmels, und mein Herz wandert klagend
mit dem ruhelosen Wind. 

Rabindranath Tagore
aus Gitanjali  (Lied 18)
Deutsche Nachdichtung von Marie Luise Gothein [1863-1931]

Foto: @ Patano 



Donnerstag, 10. Januar 2013

Die Wahrheit ist ein pfadloses Land


Die  Wahrheit,  die  grenzenlos,  unbedingt,  unnahbar  ist,  auf  welchem Pfad auch immer, kann nicht organisiert werden; auch sollte keine Organisation gebildet werden, um Menschen auf einen besonderen Pfad zu führen oder zu nötigen. Wenn Sie das als erstes verstehen, dann werden Sie sehen, wie unmöglich es ist, einen Glauben zu organisieren. Ein Glaube ist eine rein individuelle Angelegenheit, und Sie können und dürfen ihn nicht organisieren. Wenn Sie es tun, dann stirbt er, erstarrt er; er wird zur Konfession, zu einer Sekte, einer Religion, die anderen aufgenötigt wird.  Das  ist  es  aber,  was  überall  auf  der  Welt  jeder  zu  tun  versucht. Die Wahrheit  wird geschmälert  und  zum  Spielzeug  für  die  Schwachen,  für  diejenigen,  die  nur einen Augenblick unzufrieden sind. Die Wahrheit  kann nicht heruntergeholt  werden;  vielmehr  muss der  einzelne  sich  die  Mühe machen, zu ihr hinaufzusteigen. Sie können den Gipfel des Berges nicht ins Tal herunterholen. Wenn Sie den Gipfel des Berges erreichen wollen, müssen Sie das Tal durchqueren und die steilen Felsen hinaufklettern,  ohne  sich  vor  den  gefährlichen  Klippen  zu  fürchten. Sie müssen die Wahrheit erklimmen, sie kann nicht für Sie »abgestuft« oder organisiert werden. Das Interesse an Ideen wird hauptsächlich  von  Organisationen  am  Leben  erhalten,  doch  Organisationen  erwecken  nur  ein oberflächliches  Interesse.  Ein  Interesse,  das  nicht  aus  der  Liebe  zur Wahrheit  um  ihrer  selbst willen entsteht, sondern durch eine Organisation geweckt wird, ist ohne Wert. Die Organisation wird zum  Rahmen,  in  den  sich  ihre  Mitglieder  bequem  einfügen.  Sie  streben  nicht  länger  nach  der Wahrheit oder nach dem Gipfel des Berges, sondern sie graben sich eine bequeme Nische, in die sie sich setzen, oder sie lassen sich von der Organisation an einen Platz stellen und denken, dass die Organisation sie dadurch zur Wahrheit  führen wird. 


Krishnamurti

Sonntag, 6. Januar 2013

Die großen ewigen Wahrheiten


Die großen ewigen Wahrheiten lassen sich 
nicht durch menschliche Worte mitteilen; 
vielmehr wählen sie das Schweigen als Brücke zwischen den Seelen.

Khalil Gibran