Sonntag, 4. März 2018

Die Liebe grüßte mich...



Die Liebe grüßt’ mich, 
doch meine Seele wich weg
voll Schuld und Sünd und Schmutz.
Doch die scharfäugige Liebe, die mein Zögern sah,
als ich am Eingang stand,
trat näher, stellte zart die Frage,
ob irgend etwas fehlt. 
"Ein Gast", erwidert’ ich, "der wert ist, hier zu sein."
Sie sprach: "Du sollst es sein."
"Bin ich nicht lieblos, undankbar?
 Geliebter,
 ach, wie könnt’ ich dich anschaun!""
Die Hand nahm Liebe, lächelnd wand sie ein:
"Wer schuf das Aug’ als ich?" 
"Wahr, Herr! Doch ich verdarb es; meine Schmach
sei, wo sie hingehört."
"Weißt du denn nicht," sprach Liebe, "wer die Schande trug?
Lass dienen, Liebster, dir.
Du setz’ dich hin, sprach Liebe, kost’ mein Mahl!"
So setzt’ ich mich und aß.

George Herbert
(1593-1633)



veröffentlicht in dem Gedichtband "Temple", 1633, kurz nach seinem Tod

Übertragung aus: G. Stachel,
Simone Weil - Christus - die katholische Kirche, in:
Religionspädagogische Beiträge 37/ 1996, S. 78 f


Sonntag, 11. Februar 2018

Liebe macht sehend


Es gibt keine klareren, keine schärferen Augen, als die der Liebe.
Nur Schwärmerei macht blind, Liebe macht sehend.

Man versteht einen anderen Menschen nur wirklich, wenn man ihn liebt,
und man soll vom anderen nur so viel wissen wollen, als die Kraft da ist, alles zu lieben, was sich dabei offenbart.


Jörg Zink 


( Auszug aus Dem Herzen nahe, S.25, Topos plus Verlagsgemeinschaft )

Diese Liebe ist der Anfang des Friedens

Die wirkliche Liebe sagt: 

Ich kenne die Stelle in dir genau, an denen du unsicher bist, darum will ich dort stehen und dich halten. Sie sagt: Ich sehe deine Fehler, darum will ich dort, wo deine Fehler sind, bei dir sein. Wo solltest du mich nötiger brauchen als dort? 
Ich weiß, dass du kein Held bist. Ich sehe dein Misstrauen und deine Sorge, darum will ich dir dort, wo deine Angst ist, beistehen. Und so, wie du wirklich bist, bist du unersetzlich für mich.

Diese Liebe ist der Anfang des Friedens.

Es ist ein Versuch wert, ob das gelingt: die Menschen kennen und sie lieben. Es wäre ein Versuch, dem Frieden unter den Menschen ein wenig mehr Raum zu verschaffen. Es wäre der Versuch, in den Frieden zu gehen.


Jörg Zink 


( Auszug aus Dem Herzen nahe, S.26, Topos plus Verlagsgemeinschaft )

Die einzige Liebe



Über die erste Liebe hinaus gibt es schlechthin keine andere Liebe mehr. 
Die erste Liebe ist die einzige Liebe, die es überhaupt gibt – denn es ist die Liebe aus Gott und zu Gott.

Dietrich Bonhoeffer


Wer Gott aufgibt...


Wer Gott aufgibt, der löscht die Sonne aus,
um mit einer Laterne weiterzuwandern.

Christian Morgenstern